
...aber so richtig angekommen????
Wann werde ich eigentlich begreifen, was ich da in den letzten fünfeinhalb Wochen so alles hinter mich gebracht habe? "Hinter mich gebracht" - wie das klingt!
Nein: Was ich alles erleben durfte, was ich genießen und bewältigen konnte, was mir ge- oder vergönnt war, was ich mir erarbeitet, erspielt, erkämpft und erlitten habe...
Ist es nicht verrückt, aber ich glaube, auch das - dieses alles zu verinnerlichen - muss ich mir jetzt noch "erarbeiten". Die letzten Tage waren einfach nicht der Abschluss einer solchen Reise, den man sich idealerweise vorstellt.
Meinen letzten Tag auf dem Rad hatte ich ja bereits halbwegs beschrieben - er hatte wenig Genusswert! Ich war mit den Gedanken schon zu weit voraus, beschäftigt mit der Organisation der Rückreise. Und diese hatte einen gewissen Erlebniswert!
Ich wusste, dass ich in Boston am Flughafen zwei Möglichkeiten hatte, meine Weiterreise nach New York zu organisieren: Per Flugzeug oder mit dem Auto, weil die meisten Flugzeuge eben doch am Airport verkehren, aber dort hat man auch die meisten Chancen, sich legal ein Auto zu besorgen, was man in NYC wieder loswerden kann. Soweit hatte ich die Sache dann ja auch vorbereitet. Der kürzeste Weg zum Boston intnl. Airport führt - durch einen Tunnel. No way für mich! Also: Außen herum! Klingt zunächst nicht besonders dramatisch, eben etwas mehr Weg....! Dieser Weg aber - war nicht mein Ziel! Boa! Mitten durch schäbigstes Industrie- / Hafenviertel.... Straßen - ich glaube so ähnlich haben die Wege unserer europäischen Metropolen im Mittelalter ausgesehen.

Tja, als ich mich dann einem der Terminals soweit genähert hatte, dass ich auch mal nach bestimmten Punkten fragen konnte, merkte ich irgendwie ganz schnell, dass die alle sehr humorlos waren....
Naja man kennt ja die Ami-Einstellung den kleinen grünen Marsbewohnern gegenüber... und der war ich irgendwie scheinbar. Kurzentschlossen hab ich dann kehrt gemacht und bin schnurstracks zu einem der bekannten Autovermieter gefahren, habe dort innerhal von 20 Minuten ein Auto gemietet , saß innerhalb von 40 Minuten darin, die Radklamotten hatte ich schnell noch ausgezogen und schnell etwas halbwegs unmarsig aussehendes übergeworfen..
Ca. 50 Minuten nach meinem Eintreffen beim Autovermieter war ich unterwegs nach New York...
Schade, dass ich nicht mehr viel von Boston gesehen habe - obwohl habe ich eigentlich: ein Stau nach dem anderen und mittelmäßige Orientierungslosigkeit. Das Fahrradnavi war irgendwie auf gemächlicheres Tempo eingestellt. Bis es begriffen hatte, dass ich schon längst abgebogen war, hat es mir noch geraume Zeit das "bitte Wenden" angezeigt - bis ich das begriffen hatte, hatte ich den Block ungefähr dreimal umrundet....
Als wir dann beide schwindelig waren, hab ich erstmal angehalten und so getan, als könne ich genau an dieser Stelle einen Bikeshop finden, ich benötigte ja für meinen - übrigens inzwischen telefonisch völlig mutlos auf den nächsten Tag (Samstag) umgebuchten - Rückflug dringend noch den berühmten Bikekarton! Da es inzwischen angefangen hatte, aus Kübeln zu regnen, beschloss ich dann, den Bikeshop in New York zu finden!
Das Navi hatte sich durch seine Schwindelanfälle so verausgabt, dass es mir "laue Batterie" vermeldete und ich hab dann nochmal genau hingeschaut, welche Highway ich denn nehmen muss und für spätere Notfälle ausgeschaltet...(!)
Tja dann raus aus Boston (werde ich bestimmt nochmal bereuen - aber dann fahre ich eben mal von Boston nach... Houston.?... oder so), es regnete in Strömen und wurde dazu noch dunkel. Hervorragende Voraussetzungen um sich mit fremdem Auto in fremder Stadt bei rush hour sicher seinem Ziel zu nähern... Irgendwie hab ich dann wohl die richtige freeway gefunden und los gings. Gefühlte 6 Stunden später (es waren wohl nur dreieinhalb) nach dem Durchfahren etlicher Riesenstädte - die ich liebend gern im Hellen bei guter Sicht gesehen hätte) begrüßte mich der Empire-State New York.
Dann habe ich noch ca. 15 Minuten durchgehalten, da aber in dieser Zeit immer irgendwie nur städtisches Bild herrschte, bin ich dann einfach einmal von der freeway abgefahren, um mich zu orientieren.
Der Tankwart grinste mich nur an und sagte "Bronx"!!! Cool! Da war ich also genau dort gelandet, wo ich bestimmt nicht hin wollte!
Meine weiteren Erkundigungen gaben mir eine diffuse Ahnung vom Weg zum JFK-airport und eine ebensolche, vom Weg zum nächsten Motel. Ich habs dann gefunden!
Seltsame Rezeption. Absoluter Hochsicherheitstrakt! Der "Nachtportier" (ha, der würde sich über diese Bezeichnung halb totlachen) sprach mich dann über ein Mikro mit Lautsprecher an (man kenn das auch aus den amerikanischen Gangsterfilmen, wenn der einsitzende Drogendealer in Alcatraz von seine Schwester besucht wird und mit der durch die Glasscheibe per Telefon reden muss...) was ich denn wolle. Naja, "ein Zimmer" hab ich gesagt! "Ja, wieviele Stunden denn", hat er gefragt. Oops! "Die ganze Nacht"! "Ok, 125,-$" "Ok, bye-bye, and thank you!" "You're welcome"! Erst beim rausgehen habe ich dann den Riesencondomaten, der locker eine ganze Wand ausfüllte, gesehen. Wow, so schnell habe ich die lahme Automatikkiste wohl vorher noch nicht starten lassen. Die Gänsehaut bin ich wohl erst 10 Blocks später losgeworden....
Nun das zweite Motelfindeerlebnis verlief ganz ähnlich, nur dort hätte ich maximal 3 Stunden im Zimmer bleiben dürfen... Na klar, war inzwischen auch schon 0:30h..... eh nicht mehr so viel Nacht übrig.

Dort bis 7:00 geschlafen, dann so langsam auf den Weg gemacht, mich zu orientieren...
Hat dank Starbucks-Coffee dann irgendwann geklappt, dort hat mir dann auch jemand in der Frage der Bikebox weitergeholfen.... und so war ich dann irgendwie (im hellen, bei Sonnenschein sieht die welt doch schon ganz anders aus!) am späten Vormittag soweit, dass ich mich auf den Weg zum Flughafen machen konnte. Dort, bewusst sehr frühzeitig angekommen, erregte ich mit meinem Riesenpappkarton natürlich auch noch einiges Aufsehen, aber das war soweit ok! Was nicht so end-ok war, war die Tatsache, dass der Flieger 3 Stunden Verspätung haben würde... Na Super, da kam ich mir fast vor wie Tom Hanks in "Airport".

Ich bin dann in den Dutyfreeshop gegangen, da steht ja immer eine große Anzahl von Probe Sprühfläschchen rum.... ich hab dann die Proben ausnahmsweise direkt unter die Achseln gesprüht - hat sich keiner beschwert!
Um es kurz zu machen. Gegen 21:30 Ortszeit am Samstagabend (statt 17:45) hob dann der Flieger vom John-F-Kennedy-Airport in New York City ab. Und fast genau 7 Stunden später ist er in DUS gelandet. Ich war immer noch ungeduscht!
Aber zu hause! Und das war gar nicht so schlecht. Und jetzt kämpfe ich immer noch ein wenig mit dem jetlag....
Und für Britta noch: Die letzten zwei Tage waren für mich das Bewundernswerteste an der Tour. Das war für mich der größte Stress und das alles so hinbekommen zu haben, ist in der Nachschau gar nicht mehr dramatisch, aber in der Situation - war ich schon gefordert!
Übrigens:
Eure Beteiligung in Form von Kommentaren, e-mails, Beileidskundgebungen etc. hat stark nachgelassen. Lobend erwähnt werden müssen an dieser Stelle Nobbse, Ulla, Sabrina, Jens und Sterzel, der ja selbst super Form aufweist und mir beim nächsten Engadiner wohl keine Chance lassen wird....
So!
Und?!
Ich weiß auch nicht!
Jürgen